Auf dem Weg zur Customer Happieness Abteilung – Wie Marketing, Vertrieb und Service zukünftig an einem Strang ziehen
Die meisten Unternehmen sind klassisch funktional gegliedert. Der Vertrieb klagt, dass die Leads vom Marketing wertlos sind und lassen die Leads auf dem Stapel links liegen. „Die vom Marketing, das sind echte Cash-Burner. Wir erarbeiten hier den Umsatz und die stecken das ganze Geld in ein paar bunte Bildchen und pseudo-lustige Sprüche!“.
Das Marketing kontert: „Ohne unsere durchdachten Kampagnen hätten die vom Vertrieb doch niemanden, an den sie verkaufen könnten. Aber das verstehen die ja nicht, die sehen bloß immer die nackten Zahlen!“.
„Wer Abteilungen bildet, teilt ab. Und wer schneidet, hat ein Schnittstellenproblem.“
Kommt Ihnen das bekannt vor?
Wem gehört der Kunde bei Ihnen? Eher dem Marketing oder dem Vertrieb?
Arbeiten die beiden Abteilungen auf der gleichen IT- und Informationsbasis?
Unterschiedliche Sichtweisen von Marketing & Vertrieb
Schnell wird einem klar, das Marketing und Vertrieb völlig unterschiedliche Herangehensweisen in der Kommunikation haben.
Marketing | Vertrieb | ||
Zweck | Absatz- und Umsatzsteigerung | auf kurzfristigen Abschluss aus | |
marktorientiertes Führungskonzept | Umsatzmaschine | ||
Menschen | Spielwiese von Akademikern | Tummelplatz für Praktiker | |
notwendige Kostenstelle | hohe Akzeptanz bei Geschäftsleitung | ||
Zielgrößen | Aufmerksamkeit, Anzahl Leads, Leadqualität. Branding, Conversion, Informationsvermittlung, Optimierung verwendeter Kommunikationskanäle, Kundenbindung, Traffic Website | Abschlussquote, Umsatzsteigerung, Marktdurchdringung | |
Aufgaben | durch Kampagnen Aufmerksamkeit und Interesse für Produkt zu schaffen | Leads in Kunden zu verwandeln | |
Denkweise | Strategisch, langfristig, marktorientiert, konzeptionell Kampagnen basiert | taktisch, kurzfristig, kundenorientiert, umsatzorientiert Transaktion basiert | |
Strategisches Denken | Produkt- und Markenentwicklung | Verteilen von Ressourcen auf Gebiete und Kunden | |
Analytisches Denken | Finanzmanagement, Marktforschung | Umsatzprognosen, Verkaufsziele | |
Kommunikation / Kreativität | Promotion, Werbung, Teamarbeit | Verkaufs- und Verhandlungsgeschickt | |
Aggregation | Makro | Mikro | |
Fokus | Produkt (Analyse) | Kunde (persönl. Beziehung) | |
Arbeitsplatz | Büro | vor Ort beim Kunden (ADM) |
Die Herausforderungen
Erloschene Leads
Werden Leads nicht zeitnah vom Vertrieb bearbeitet, werden sie kalt. Bei einer verspäteten Kontaktaufnahme erinnert sich der Interessent nicht mehr daran, Unterlagen von der Website geladen oder Informationen zugesendet bekommen zu haben.
Unqualifizierte Leads
Leads werden zu früh an den Vertrieb übergeben. Der Interessent weiß noch gar nicht, für welches Problem er eine Lösung sucht. Es besteht noch kein Handlungsbedarf und keine Kaufbereitschaft. Oder das Marketing produziert Content am Zielkunden vorbei. Die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens passen nicht zu den Bedürfnissen der Leads.
Beide Herausforderungen sorgen für Frust. Bei erloschenen Leads werden die Früchte der Arbeit des Marketings nicht eingefahren. Bei unqualifizierten Leads werden Ressourcen im Vertrieb verschwendet.
Dem Kunden ist die funktionale Arbeitsteilung des Unternehmens in Marketing, Vertrieb und Service egal. Er nimmt das Unternehmen als eine Einheit wahr. Und wenn in der Customer Journey etwas nicht funktioniert, ist das ganze Unternehmen ein Saftladen. Und dann posaunt er das Erlebte auch gerne in den sozialen Netzwerken.
Wie lassen sich die Grabenkämpfe überwinden?
Gemeinsamer Informationsaustausch
Damit das Marketing den richtigen Content produziert, kann das Marketing die notwendigen Informationen zu Kundenbedürfnissen und Schmerzpunkten beim Vertrieb erfragen:
• Was wäre für Euch ein ideal vorbereiteter Lead?
• Welche Infos bräuchtet Ihr idealerweise über diese Person?
• Was sind ganz typische Kunden bei Euch? Und im B2B: Aus welchen Personen/Funktionen setzt sich ein typisches Buying-Team zusammen?
• Wie läuft bei jedem von denen ein typischer Kaufentscheidungsprozess ab? Wie lange dauert es bis zum jeweiligen Abschluss?
• Wie viele Leads, Telefonate und Besuchstermine braucht Ihr im Schnitt bei jeder dieser Kundengattungen bis zum Abschluss?
Das Marketing kann auch beim Ausbau von Bestandskunden unterstützen
• Wie sieht die aktuelle Kundenstruktur aus? Und wie groß ist euer Datenbestand: Kunden, Interessentenadressen, verlorene Kunden?
• Wie betreut ihr diese Kunden dann weiter? Welche Betreuungsunterschiede gibt es je nach Kundenkategorie?
• Wie kommt ihr an Folgeumsätze? Wie macht ihr Cross- und Upselling? Wieviel Umsatz pro Kunde kommt dabei im Durchschnitt heraus?
• Wann würden Bestandskunden mehr vom Gekauften bestellen?
• Welche Produkte würden das Gekaufte/Gebuchte ergänzen?
Dann gilt es organisatorische Dinge zu klären:
• Wie viele Leads könnt ihr zusätzlich pro Monat bearbeiten?
• Wie sollen wir euch die Leads zuspielen?
• Wie werden sie auf jeden einzelnen Verkäufer verteilt?
Bei mehr als 45 % der Unternehmen besteht keine abteilungsübergreifende Definition welche Arten von Lead es gibt:
• Qualified Leads:
Der Nachfrager versucht das eigene Problem zu verstehen. Das Marketing informiert allgemein ohne Produktbezug, um das Problembewusstsein zu schärfen
• Marketing Qualified Leads:
Interessent sucht konkret nach einer Problemlösung. Er erhält Produkt bezogene Informationen.
• Sales Qualified Leads:
Sucht ein konkretes Produkt oder Dienstleistung. Der Interessent vergleicht verschiedene Anbieter. Der Interessent wird informiert, warum die eigene Lösung die Beste ist.
Idealerweise mündet das in einer schriftlich vereinbartem Service Level Agreement (SLA) wie man das auch mit einem externen Dienstleister macht.
Gemeinsame Ziele und Vergütungsmodelle
Klassisch werden Marketing und Vertrieb an unterschiedlichen Zielen gemessen. Im Vertrieb ist der erfolgsabhängige Anteil oft höher. Das führt zu Neid auf Seiten der Marketingleute. Deshalb ist es wichtig, gemeinsame Ziele zu entwickeln, die sowohl von Marketing als auch vom Vertrieb beeinflusst werden können.
In manchen Unternehmen berichten Marketing und Vertrieb an unterschiedliche Personen der Geschäftsleitung. Das sollte in einer Person vereint werden, um den Kampf um Budgets und Ressourcen nicht auch bis in den Vorstand zu tragen.
So schafft man ein Verständnis füreinander und fördert die Zusammenarbeit.
Jobrotation – abteilungsübergreifende Karrierepfade
Wenn Mitarbeiter zwischen Marketing und Vertrieb wechseln, wächst automatisch das Verständnis für die Bedürfnisse und Herausforderungen der anderen Seite. Das Marketing profitiert von der Kunden- und Umsatzsicht der Ex-Vertriebler und der Vertrieb profitiert von der Gesamtmarktsicht der Ex-Marketingleute.
IT- und Applikationsinseln
Ein Haupthinderungsgrund sind die unterschiedliche Informationsbasis. Der Vertrieb arbeitet kundenorientiert mit einem CRM System (Customer Relationship Management), während das Marketing kampagnengetrieben mit unterschiedlichen Systemen arbeitet, z.B. Excel-Listen, Lead Marketing Automation, Website uvm.
Hier muss eine gemeinsame Datenbasis geschaffen werden, die die Grundlage für Wissen, Reports und Zielerreichung bildet. Denn Wissen ist Macht. Und wer nichts weiß, fühlt sich unterlegen und abgehängt.
Es gibt sehr große IT Suiten, die sowohl den Anforderungen von Marketing und Vertrieb gerecht werden können. Oder man wählt auf die jeweiligen Gebiete spezialisierte Lösungen, die über intelligente Schnittstellen verfügen. Dabei geht es nicht nur um die Synchronisation von Kontakten, sondern um das automatische Auslösen von Aktivitäten. So führt ein Klick auf einen Link zu einem Produktvideo in einem Newsletter z.B. automatisch zu einer Wiedervorlage beim jeweiligen Verkäufer.
Fazit
Wer Abteilungen bildet, teilt ab. Und wer schneidet, hat ein Schnittstellenproblem. Ob in der heutigen Abteilung eine funktionale Trennung in Marketing und Vertrieb noch zeitgemäß ist oder eine Customer Happieness Abteilung nicht der richtige Weg ist, muss jeder selbst entscheiden. Kunden werden es nicht hinnehmen, wenn die rechte Hand nicht weiß, was die Linke tut. Prozesse und ITK-Systeme sind abteilungsübergreifend aus Kundensicht zu definieren. Dann können die Abschlussraten wieder steigen und das Unternehmen wachsen.